Post Vasektomie Schmerzsyndrom in der Aufklärung

Experte: Dr. med. Marc Armbruster

Dr. Marc Armbruster

Als Facharzt für Urologie ist Dr. Marc Armbruster seit 2005 zusammen mit seinem Kollegen Herrn Dr. Müller in einer Gemeinschaftspraxis in Kornwestheim (bei Stuttgart) niedergelassen. In den darauffolgenden Jahren hat Dr. Armbruster die Zusatzbezeichnung „Androloge“ erworben und die Zulassung zur medikamentösen Tumortherapie erhalten. Die Durchführung der Vasektomie zählt zu einem seiner operativen Schwerpunkte.

Frage vasektomie.de: Sie haben sich u.a. auf den Eingriff der Sterilisation beim Mann spezialisiert. Seit wann praktizieren Sie den Eingriff und wie viele Vasektomien haben Sie bisher durchgeführt?
Antwort Dr. Armbruster: Die Vasektomie nimmt in der Tat einen großen Teil meiner Arbeit als Urologe in Anspruch. Den Eingriff praktiziere ich seit 2005 und habe zwischenzeitlich mehr als 4.500 Männer sterilisiert. Stand 2020 führe ich pro Jahr über 500 Vasektomien durch. Durch regelmäßige Weiterbildungs-Aufenthalte im Ausland (speziell zum Thema Vasektomie) stehe ich mit anderen Vasektomie-Spezialisten aus der ganzen Welt in Kontakt, u.a. aus den USA und Kanada.

Frage vasektomie.de: Was sind die Vorteile einer Vasektomie verglichen mit anderen Verhütungsformen? Welche Nachteile gibt es?
Antwort Dr. Armbruster: Die Vasektomie ist statistisch erwiesen die sicherste Verhütungsform. Meines Erachtens ist sie auch die unkomplizierteste, fairste und logischste Art der Kontrazeption. Der Mann hat keinerlei Nachteile. Die Libido (Lust auf Sex) und Erektionsfähigkeit bleiben unbeeinträchtigt (dies konnte durch mehrere Studien gezeigt werden) und der Partnerin wird die Einnahme von Hormonpräparaten erspart. Einziger Nachteil: Es ist ein endgültiger Schritt! Deshalb sollten sich die Paare absolut sicher sein, dass die Familienplanung abgeschlossen ist.

Frage vasektomie.de: Es gibt verschiedene Methoden der Vasektomie-Durchführung? Für welche haben Sie sich entschieden und warum?
Antwort Dr. Armbruster: Ich habe mich für die Non Skalpell Methode entschieden. Hier wird die Hodensackhaut an nur einer Stelle punktiert und auf eine Länge von 5mm aufgedehnt (also nicht geschnitten). Über diese eine Öffnung werden dann beide Samenleiter herausmobilisiert, durchtrennt und verschlossen. Eine Hautnaht ist nicht erforderlich. Der gesamte Eingriff dauert 10 Minuten (reine OP-Zeit).

Im Allgemeinen beinhaltet die Vasektomie sehr geringe Komplikationsraten. Die Non Skalpell Methode ist, wie durch mehrere Studien gezeigt werden konnte, im Vergleich zu der Vasektomie mit Skalpell noch komplikationsärmer: Die Infektionsrate und die Blutungs- bzw. Nachblutungsrate konnten um ein 10faches gesenkt werden. Außerdem können die Patienten bereits am Folgetag wieder duschen und zur Arbeit (bspw. bei einem normalen Bürojob).

Frage vasektomie.de: Was sind die Komplikationen / Risiken einer Vasektomie und Inhalte eines ausführlichen Aufklärungsgespräches?
Antwort Dr. Armbruster: Die Komplikationen bei einer Non Skalpell Vasektomie sind sehr selten. Dennoch muss im Rahmen des Aufklärungsgespräches über mögliche Risiken wie Blutung, Nachblutung, Infektion (Hoden / Nebenhoden) und Wundheilungsstörung aufgeklärt werden. Außerdem kann es zu der Entwicklung eines Spermagranulomes kommen. Diese kleinen, im Bereich des durchtrennten Samenleiters entstandenen Knötchen sind in der Regel nicht schmerzhaft und bedürfen keiner weiteren Therapie. Wichtig ist letztendlich auch, den Patienten über das Post-Vasektomie Schmerzsyndrom aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass die Verhütungsmaßnahmen nicht gleich nach der OP abgesetzt werden können, sondern zunächst 2 Spermakontrolluntersuchungen durchzuführen sind. Erst wenn beide Kontrollen keine Spermien mehr zeigen, kann die Verhütung abgesetzt werden.

Frage vasektomie.de: Welches sind die häufigsten Fragen von Männern im Aufklärungsgespräch zur Sterilisationsoperation?
Antwort Dr. Armbruster: Die häufigsten Fragen betreffen das Sexualleben nach der OP. Ändert sich meine Erektion? Was ist mit dem Samenerguss? Was ist mit meinem Sexualtrieb? Hier kann ich die Männer beruhigen. Es werden sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben. Der Samenerguss bleibt erhalten und die Lust am Sex und die Erektion bleiben unbeeinflusst.

Ein wichtiges Thema ist auch die Erholungszeit. Wann kann ich wieder arbeiten gehen? Bekomme ich eine Krankmeldung? In der Regel können meine Patienten bereits am Folgetag wieder zur Arbeit. Wenn schwere körperliche Arbeit ausgeübt wird, empfehle ich einen oder zwei Urlaubstage einzuplanen. Eine Krankmeldung kann nicht ausgestellt werden, da es sich um eine Leistung handelt, die auf Wunsch des Patienten vorgenommen wird und keine Erkrankung vorliegt.

Frage vasektomie.de: Ein im Internet diskutiertes Thema ist das sogenannte Post Vasektomie Syndrom. Was verstehen Sie darunter?
Antwort Dr. Armbruster: Das Post Vasektomie Schmerzsyndrom ist ein Beschwerdebild, welches bei sterilisierten Männern auftreten kann. Die Männer beschreiben einen ständigen Druck oder Schmerz in einem oder beiden Hoden, wobei die Schmerzen erst seit durchgeführter Vasektomie vorhanden sind.

Frage vasektomie.de: Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für das Post-Vasektomie-Syndrom?
Antwort Dr. Armbruster: Bis heute können keine klaren Ursachen für das PVS genannt werden. Es bestehen nur Vermutungen. Meine Theorie lautet, dass in der Regel bei einer Vasektomie die Samenleiterenden abgebunden werden. Dadurch kann es zu einem Rückstau von Spermien in die Nebenhodenkanälchen kommen. Es ist denkbar, dass dieser Rückstau den Patienten Beschwerden bereitet. Er kann so stark sein, dass es zu einer Ruptur des Kanälchens führt und in einer Entzündung enden kann. Das ist auch der Grund, weshalb ich die „open ended“ Variante der Vasektomie durchführe: Das vom Hoden kommende Ende lasse ich offen. Das obere, also zur Harnröhre hin verlaufende Ende, wird mit Hitze verschlossen („zugeschweißt“). Zusätzlich wird mit Hilfe eines kleinen Titanklips eine Gewebeschicht so platziert, dass sich die beiden Samenleiterenden nicht mehr berühren können (Faszieninterposition).

Außerdem bin ich überzeugt, dass die Hauptursache für das PVS psychischer Natur ist. Wenn sich ein Mann nicht sicher ist und den Eingriff nur aus Vernunftgründen oder Fairness seiner Partnerin gegenüber macht, kann es zu psychischen Konflikten kommen, die sich in Form von Schmerzen im Hoden oder Nebenhoden auszeichnen.

Frage vasektomie.de: Wie hoch ist Ihrer Meinung nach im Durchschnitt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Post-Vasektomie-Syndroms?
Antwort Dr. Armbruster: Nach meiner Erfahrung sehr selten. Bei den von mir sterilisierten Männern hat sich meines Wissens bei keinem Patienten ein Schmerzsyndrom entwickelt. Dennoch habe ich im Rahmen meiner mikrochirurgischen Tätigkeit zur Refertilisierung schon Patienten betreut, die ein solches Syndrom entwickelt haben. Es existiert also und muss jedem Patienten im Rahmen des Aufklärungsgespräches übermittelt werden.

Herr Dr. Armbruster, herzlichen Dank für das Interview.
Veröffentlicht am 08.10.2013